Bling Bling – Eine kurze Geschichte des Hip Hop-Schmucks
Schon von jeher hatte Schmuck unterschiedliche Käufer. Je nach Design des Schmucks, suchten Menschen nach Schmuckstücken, die ihren Charakter repräsentieren konnten und ihren Look abrundeten. Auch Subkulturen haben sich dieser Entwicklung niemals entziehen können. Wo die Hippies in den 60ern versuchten durch Lederschmuck und Holzschmuck ihre Verbundenheit zur Natur zu demonstrieren, begannen in den achtziger Jahren die Hip-Hop-Jünger Goldschmuck zu tragen, um ihrer cooles Ausdruck zu verleihen. In der Bronx, dem Geburtsort der Hip-Hop-Welt, war vor allem Armut ein bestimmendes Motiv des Straßenbildes. Schmuck passte eigentlich überhaupt nicht in das Viertel, welches maßgeblich von arbeitslosen Latinos und Afroamerikanern bewohnt wurde. Die einzigen Bewohner des Viertels, die einem aufwendigen Lebensstil frönten und dicke Goldketten zu ihren Outfits trugen, waren die Charaktere der Halb- und Unterwelt New York Citys.
Gold und Juwelen gehörte zu Pimps (Zuhältern) und den mächtigen Drogenbossen der armen Viertel. Durch den Straßenverkauf der Drogen, der vor allem von jungen Afroamerikanern durchgeführt wurde, entwickelte sich so etwas wie eine Kultur des Pimps. Die jungen Dealer sahen sich die Kleidung der reichen, älteren Crews an und wollten diese für sich adaptieren. Das der Hip-Hop, der als biografische Erzählform der Jugend in den 80ern geboren wurde, gerade in diesen Verhältnissen seinen Durchbruch schaffte, ist kein Zufall. Hip-Hop erzählte von den widrigen Verhältnissen im Ghetto, von Gewalt, Drogen und Prostitution, aber auch von Loyalität und Zusammengehörigkeit und dem Traum sich aus diesen Verhältnissen herauszuarbeiten. Doch wie wurden aus den dealenden Corner Boys steinreiche Rap-Mogule?
Durch die Popularisierung der Musik und ihren Einzug in den amerikanischen Mainstream, die Vermarktung und das sehr erfolgreiche Hip-Hop-Business der 80er und 90er Jahre – namentlich vertreten durch Rapper wie Nas, Biggie Smalls, Run DMC und Jay-Z – wurde Hip-Hop Künstlern nicht nur mehr Aufmerksamkeit zuteil, sondern auch ihr Reichtum wuchs. Immer noch geprägt durch die Kultur ihrer Jugend und die Einflüsse ihrer Vorbilder, zeigten die Neureichen ihre etablierte Stellung durch Goldschmuck, wie ihn einst nur die Leute aus der Hood trugen, die mit illegalen Machenschaften ihr Geld verdient hatten. Man kann also durchaus sagen, dass es so etwas wie Vereinnahmung bestimmter Schmuckstücke durch die Hip-Hop-Kultur gab. Die dicken Ketten der Pimps waren nun die Ketten der gefeierten Stars des Business. Die Goldketten, wie sie Run DMC trug – besonders fett mussten sie sein, schwer und vor allem schon aus hundert Metern sichtbar – waren Statussymbole, die für Abgrenzung sorgten, aber auch zeigten, dass es junge Afroamerikaner auch auf legalem Wege zu Reichtum bringen konnten. Umso mehr die Hip-Hop Community wuchs, umso größer wurde auch die umfangreiche Palette an Schmuckstücken, die von den Rappern getragen wurde. Gold war, so muss man feststellen, wenn man die Entwicklung der Szene betrachtet, einfach nicht mehr genug.
Der Trend ging in den Neunzigern in Richtung Platin. Auch Silberschmuck war zu dieser Zeit besonders angesagt und traf den Nerv der Zeit. Doch den Begriff „Bling Bling“ formte Style-Ikone Lil Wayne. Heute, da die Rapstars zu den einflussreichsten Künstlern der USA zählen, ist die Grenze nach oben überhaupt nicht mehr abzustecken. Künstler wie Jay-Z, die mehrere hundert Millionen Dollar schwer sind, setzten auf Diamanten, deren Preis eigentlich gar keine Rolle mehr spielt. Heute ist das Repräsentieren durch Juwelen einfach kaum noch von Belang, denn wer ganz oben angekommen ist, der muss sich nicht durch Juwelen in Szene setzten lassen. Wer hätte vor 25 Jahren geglaubt, dass Jay-Z einmal zur Inauguration des Präsidenten der Vereinigten Staaten eingeladen würde? Vor 25 Jahren waren die Hip-Hop-Superstars von heute junge Männer, die ihren Reichtum durch goldene Ketten zur Schau stellten, immer in der Hoffnung, es würde im Leben noch mehr kommen. Vom Goldketten-Pimp aus der Hood ist jedenfalls kaum noch etwas übrig geblieben als das Image, welches heute der Vermarktung der Musik – und der Goldketten – dient.